Dass ich das Anbandeln mit neuen Mitunternehmen nicht zwingend bei „HR“ in guten Händen sehe und auch generell über die Überflüssigkeit von „Personalabteilungen“ nachdenke, ist vielleicht hinlänglich bekannt.
Auch dass ich für das Kennenlernen zwischen Mensch und Unternehmen gerne die Metapher des Kennenlernens von „Mann und Frau“ benutze und daraus erhellende Funken zu schlagen versuche, ist schon länger Teil meiner verschiedenen Tätigkeiten.
Für den Moment möchte ich zusammen fassen, was ich Unternehmen raten möchte, die gut aufgestellt in ein Kennenlernen auf Augenhöhe gehen wollen:
1.) Klärt, was Ihr wirklich braucht. Beschäftigt Euch mit den aktuell unbefriedigten „Unternehmensbedürfnissen“. Wofür braucht Ihr grad wirklich jemanden?
Klingt banal, findet aber in vielen, vielen Unternehmen so gut wie gar nicht statt. – Ähnlich wie auf der anderen Seite „die Bewerber“ das leider tun, wird all zu oft auch auf Unternehmensseite nach dem Prinzip „copy & paste + Dranrumschrauben“ agiert:
„Was haben wir den nochmal in die letzte Stellenausschreibung geschrieben…?“ – Ein paar Sächelchen ausgetauscht, fertig ist die Jobdescription!
Die Gründe für dieses „unreflektierte“ Vorgehen sind vielfältig:
- Es scheint Arbeit zu sparen
- Es vermeidet Konflikte, die – so zumindest die Befürchtung – aufbrechen könnte, wenn man „grundsätzlichere“ Fragen darüber aufwerfen würde, was gerade eigentlich wirklich gebraucht wird.
- Personalabteilungen haben in den meisten Unternehmen kein starkes Standing – Letzten Endes werden sie als „interne Dienstleister“ gesehen, die „liefern sollen“.
- Die HRler nehmen diese Rolle ohne Gegenwehr an, laufen also los und suchen Leute für Bedarfe, die sie nicht erfragt haben – Mit dem Ergebnis, dass alle dauerhaft frustriert sind und viele Fachabteilungen mehr als 50% ihrer „Neuzugänge“ an HR vorbei selbst auftun. Die klären dann nur noch die Formalitäten.
- Über all das wird übrigens von keiner der beiden Seiten (also weder von HR noch von Fachabteilungsseite) gern offen geredet, denn das könnte ja ebenfalls in Grundsatzkonflikte führen, die man sicherheitshalber schon mal im Ansatz zu vermeiden sucht. – Also praktiziert man weiter aneinander vorbei, nimmt lieber die wechselseitigen Frustrierungen in Kauf und gewöhnt sich an sie…
Starke Personaler machen dagegen „gute Auftragsklärung“, fragen grundsätzlich zurück und laufen grundsätzlich nicht los zum „Leute suchen“, bevor sie sich nicht ganz sicher sind, womit die Fachabteilung denn wirklich zufrieden wäre, wenn sie „dieses Menschenmaterial“ heranschaffen könnten…
Ganz grundsätzlich eine Stufe besser sind aber IMMER Prozesse, wie sie beispielsweise von Heiko Fischer mit seinem RHWay vertreten werden: Die Kennenlernprozesse gleich ganz in der Organisation zu lassen und die Menschen mit neuen Mitunternehmern in Kontakt kommen und entscheiden zu lassen, die dann auch täglich mit ihnen zu tun haben werden…
2.) Fragt mehr nach dem Wollen und den Bedürfnissen des Menschen, der möglicherweise bald Euer Mitunternehmer sein wird, als nach seinem Können.
Die Gründe, was dafür spricht, habe ich hier ausführlich dargelegt.
Das Kernargument ist dabei die immense Plastizität von Menschen, ihre neurobiologisch bewiesene Veränderlichkeit, die eine Extrapolationen vergangener Erfolge / Misserfolge verbietet, sobald sich das soziale Bezugssystem so drastisch ändert, wie es das bei einem Unternehmenswechsel immer tut.
Das Gespräch über die gemeinsame Zukunft ist sehr viel aussagekräftiger und gehaltvoller für beide Seiten als die investigative Befragung der getrennten Vergangenheiten.
Zudem gibt es bereits einige Unternehmen, die das verstanden haben und Bewerber daher sehr viel entschiedener nach ihrem Wollen anstatt nach ihrem Können befragen. – Und sie auch nicht damit davon kommen lassen, wenn sie auf die Frage nach ihrem Wollen keine authentischen Antworten haben. Hier ein solches Beispiel.
3.) Arbeitet zusammen – Nutzt die Probezeit offensiver – Macht echte, relevante Erfahrungen, wie es Euch wirklich miteinander geht. – Überwindet alle praktischen Hürden, die ein solches Vorgehen unmöglich zu machen scheinen.
In Handwerksberufen immer noch recht weit verbreitet, wird in vielen anderen Bereichen auf alberne Tests, Assessment Center und Fragespielchen gesetzt, die in Wirklichkeit allen nur tierisch auf die Nerven gehen.
Wer wie ich täglich von Menschen offen zu hören bekommt, die in solche Gespräche gehen oder die gerade aus ihnen kommen, wie sie diese Vorgehensweisen wirklich finden und was sie von Unternehmen halten, die sie einsetzen, kann davon ein Lied singen, wie sich diese Spielereien auf der Beziehungsebene auswirken und was für Vertrauensverhältnisse und Loyalitäten sie NICHT stiften…
Der einzige halbwegs aussagekräftige Weg herauszufinden, „ob man zueinander passt“, ist wie im Privaten: Etwas Relevantes miteinander zu unternehmen, wobei man sich wechselseitig „in Aktion“ kennen lernt.
0.) Nehmt den Stress raus aus den Gesprächen und der wechselseitigen Verständigung über Bedürfnisse – Nehmt den Stress raus aus dem ganzen Kennenlernprozess – Für BEIDE Seiten!
Der eine Grund dafür ist: So darf man mehr vom anderen sehen. – Man kann gar nicht inquisitorisch genug sein, um durch inquisitorische Verfahren (Daumenschrauben, Streckbank, Eiserne Jungfrau, etc.) ähnlich viel vom anderen zu sehen bekommen, wie man von ihm freiwillig sehen darf, wenn man ihm einfach „begegnet“.
Der zweite Grund ist: Es geht sowieso um „Passung“. – Es geht nicht um: „Was nicht passt, wird passend gemacht.“ – Das wäre unökonomisch. – Verstellung ist unökonomisch. – Natürlich sind sowohl Mensch wie Unternehmen in großen Anteilen veränderlich. – Aber Veränderung aus DEM Grund, „damit man zum anderen passt“, geht mittelfristig immer in die Hose.
Das heißt nicht mehr und nicht weniger, dass Aufrichtigkeit (im GfK-Sinn!) DER Bringer ist in Kennenlernprozessen. – Am meisten sieht man vom anderen, wenn man ihn nicht in Bezug auf sich selbst stresst und alles tut, um den Eindruck des objektiven Bewertet-Werdens aka Jüngsten Gerichts beim anderen zu vermeiden („Du bist nicht okay, so wie Du bist“). Und indem man ZUGLEICH den anderen damit zu konfrontieren wagt, WER MAN SELBST IST. Unverstellt. Ungeschminkt. Employer Outing anstatt Employer Blendertum.
DAS ist „Aufrichtigkeit“. Und diese Aufrichtigkeit ist heilsam und nützlich für Unternehmen wie für die Menschen gleichermaßen. Menschen, die schon bald Mitunternehmer sein könnten…
-1.) Gestalten Sie in Ihrem Unternehmen VOR allem „Kennenlernen“ ein greifbares Sinnangebot an ALLE Beteiligten des Unternehmens und achten Sie auf dieser Basis darauf, dass ein „WIR“ entstehen kann, das für Neudazukommende Menschen „Charakter hat“, das „kenntlich ist“. – Das ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass man sich als Mitunternehmer in Ihr Unternehmen verlieben kann.
Natürlich funktioniert Aufrichtigkeit auch für Unternehmen gut, die in ihrem Herzen „sinnlos“ sind, weil sie einfach Profit-Maximierungs-Maschinen für irgendwelche anonymen oder fernen Investoren sind. Dann kann das Unternehmen Dinge herausarbeiten wie: „Wir zahlen halt einfach mehr als die Meisten.“ Oder: „Bei uns bleibt man ein paar Jahre und härtet sich ab, indem man lernt, mit sinnloser Bürokratie und 12-Std.-Tagen umzugehen. Außerdem zahlen wir ein paar Weiterbildungen, die sich schick im CV machen.“ Ja. Erschreckende Aufrichtigkeit. Aber wenn es so ist, dann ist es eben so. Und vor allem bekomme ich auf diesem Weg die richtigen Leute: Leute, die gerade zu mir passen.
Noch mehr Sinn macht das oben beschriebene Vorgehen allerdings, wenn sich die Aufrichtigkeit und das wechselseitige Kennenlernen auf Augenhöhe eben nicht auf das Kennenlernen begrenzt, sondern in der folgenden Zusammenarbeit gerade so weiter gehen kann. Das ist aber nur möglich, wenn es auch allseits geteiltes Unternehmertum und Klarheit über den Zweck des Unternehmens gibt im Unternehmen. Dann werden Angebote möglich von der Form: „Bei uns hast Du eine Möglichkeit zu XYZ beizutragen. Und wir machen das hier, in dem wir so, so und so zusammenarbeiten – Was hältst Du davon? Wie geht es Dir damit? Bieten wir Dir damit eine Möglichkeit, die auch für Dich sinnvoll ist? Was möchtest Du gern beitragen? Was möchtest Du bei uns ändern, nachdem Du mehr darüber weißt, wie wir hier ticken und wie wir hier zusammen arbeiten?“
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Von hier (von diesem „-1.)“) aus möchte ich im Schnelldurchgang noch einmal die Schritte zusammen fassen, die aus meiner Sicht vielversprechend sind, um allseitig befriedigende Kennenlernprozesse zwischen Menschen und Unternehmen zu gestalten:
0.) Systematisch Stress raus nehmen für sich selbst und für die „Bewerber“ – Es geht darum, dass zusammen kommt, was zusammen gehört und AUCH darum, dass nicht zusammen kommt, was nicht zusammen gehört.
1.) Als Unternehmen die EIGENEN Bedürfnisse und Bedarfe klären. – Seien Sie hier so investigativ und „streng“ mit sich, wie Sie es bis dato mit „Bewebern“ gewesen sind. – Lassen Sie sich nicht mit Wischiwaschi-Aussagen davon kommen! – Bevor irgend ein Neuankömmling verstehen kann, worum es Ihnen gerade geht, müssen Sie selbst verstanden haben, was Sie eigentlich gerade brauchen…
2.) Schaffen Sie eine wirkliche, ernst gemeinte empathische Atmosphäre, in der „Bewerber“ sich offen zu legen trauen, was sie gerade wirklich wollen und wirklich brauchen. – Haben Sie keine „Angst“ vor den Bedürfnissen des Bewerbers. – Am Ende geht es um einen Deal unter Erwachsenen: Bekommt er hier, was er braucht, und bekommen Sie hier, was Sie brauchen. Wenn auch nur eine Seite unerfüllt ist, wird es keine glückliche Arbeits-Ehe geben können. – Sie ersparen BEIDEN Seiten viele, viele frustrierende Erfahrungen (und am Ende: Schuldzuweisungen), wenn Sie NICHT zusammen kommen. – Entweder weil Sie dem anderen nicht bieten können, was er braucht, oder weil er Ihnen nicht bieten kann, was Sie brauchen. – Die Bedürfnisse beider Seiten sind dennoch völlig in Ordnung, so wie sie eben da sind. – Und DAS kann auch im GANZEN Prozess offen kommuniziert und verkörpert werden…
Bestes „Gesprächsthema“ jenseits der wechselseitigen Bedürfnisse sind die möglichen „glücklichen Kinder dieser Arbeitsehe“: Gelungene Projekte, steigende Umsätze, zufriedene Kunden. – wenn Sie darüber gemeinsam reden, werden Sie – in aller Wertschätzung – eine Menge übereinander (und über sich selbst!) erfahren…
3.) Zusammen arbeiten schlägt alle anderen Formen des „Erkenntnisgewinns“ über die Zukunftsaussichten dieser Arbeitsehe. – Um Längen! – Daher sollte alles, alles aus dem Weg geräumt werden, was solche „Probezusammenarbeiten“ unmöglich zu machen scheint. – Am Ende sollten unternehmensseitig ALLEIN jene Mitunternehmer „über die Unterzeichnung des Ehevertrags“ entscheiden, die in Zukunft operativ, Stunde für Stunde mit dem neuen Mitunternehmer zusammen arbeiten werden. Niemand sonst!
An den werten Leser, die werte Leserin, die sich durch die Zeilen dieses Artikels bis hierhin durchgekämpft hat:
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Genauso gern ohne wie mit Begründung. Begründungen können in die Richtung gehen: “Warum überhaupt mehr als 1?” Oder auch: “Warum unterhalb von 10 geblieben?”
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